Laudatio


Laudatio von Waltraud Weiß, Köln, 

anläßlich der Vergabe des Förderpreises der IGdA 2005 an Barbara Lorenz, „Balo“

 

Preise! Belohnungen, Auszeichnungen, Orden, Sieger (-kränze, -palmen), Lorbeeren (Lorbeerkränze) – Oder einfach nur eine Vergütung ohne Geld, ein Danke im goldenen Rahmen einer Feierstunde?  

Is dat denn nix? In Köln heißt das so viel, wie „das ist doch super! Was willst du mehr?!

Selbst in den kleinsten Gremien werden Preise vergeben. Die Jury muss sich einiges einfallen und vieles gefallen lassen. Sie muss einstimmig der Meinung sein: Dazu stehen wir! Und das, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, das ist mehr als Geld und gute Worte.

Und wir beschäftigen uns mit der Literatur, d.h. wir „arbeiten“ mit dem Wort. Das Wort ist die wertvollste Kraft in der Welt und die stärkste. Das bleibt sie, auch wenn Worte wie Müll und Staub herumliegen und –fliegen. Gerade dann muss die Autorin – es ist heute eine Autorin! – mit dem Wort besonders behutsam umgehen, denn es liegt und fliegt auch dann um einen  herum, an einem fest, wenn es nicht ein gutes Wort ist. Da hilft keine Dusche zum Bereinigen. Es klebt. Ich denke, alles, was positive Wirkung hat, hat auch negative Wirkung. Uns ist es geschenkt, in der Freiheit unseres Denkens und Wirkens damit besonders wachsam umzugehen. Barbara Lorenz, unsere heutige Förderpreisträgerin,  hat dazu sehr packende und tiefgreifende Gedanken:

In „Ein Wort am Rande der Welt“ sagt sie u.a.:

„Es singt und donnert

Es klagt und lacht

Es reimt sich oder es beißt sich

Durch ein Land aus Glas und Splittern

Es ist der Flügelschlag des Schmetterlings

Und das heisere Fauchen eines Vulkans

Es ist die Maschinengewehrsalve

Es ist der Schrei aus dem Abgrund

Es ist ein Liebeslied

Und ein inniges Gebet...“

Ja, Barbara Lorenz geht hellhörig mit dem Wort um.

Ich kenne Balo – so wird sie im Freundeskreis genannt – seit „Stadt, Stätte, Denk-mal“, also 1997, als ich diese Anthologie herausgeben wollte. Seitdem ist sie mir nahe. Sie hat am 17. März Geburtstag (1960), wie meine Schwester, und deshalb nenne ich sie auch „meine kleine Schwester“. Sie folgt mir in meiner Begeisterung, die Welt so schön, so friedlich, so harmonisch zu gestalten, wie es in unserer Macht – besonders in der Kraft der Frauen – liegt. Sie wurde Else Lasker-Schüler-Tochter, d.h. eigentlich Urenkelin, aber unser Programm „Elses Töchter“, das seit 4 Jahren läuft und in Wuppertal, Köln (Senftöpfchen), Pulheim etc. aufgeführt wurde, folgt einer Spur, die diese Jüdin, geb. 1869, gestorben 1945 in Jerusalem, uns in der Liebe (zu Gott und den Menschen, bei Else besonders zu den Männern) vorlebte. Barbara beantwortete meine Frage: „Wie kam ich zu Else?“ folgendermaßen:

„Else kam zu mir.

Ich taste mich noch in die Welt, da begann die Wortquelle in mir zu sprudeln. Die Welt wollte mit eigener Sprache benetzt werden. Ich musste ausschwemmen aus den Tagen, was mich verletzte, und aussieben, was mich reich machte.

Rund um mich und in mir Gedanken, die mich packten, und Eindrücke einer Welt, die mir fremd schien, daneben Bücher und Bilder, die mich wärmten.

So ging ich auf Forschungsreise in die Warmwelt der Kunst, und eines Tages blätterte ich um zu Else. Sie saß da auf dem Papier vor mir neben einem halboffenen Koffer und spielte mit bunten Knöpfen. Sie lächelte mich an, und ich blickte in ihre Königskirschenaugen.

Es war, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich ihr Gesellschaft leiste, und als sie mir ihr Lied sang, kam ich heim.“

So weit Barbara Lorenz, die uns sicher gleich „Elses Lied“ vorliest. In der neuen Anthologie „Ich – über mich“ erzählt sie in ihrer eigenen, schönen Form das, „was ihr auf der Seele brennt“.  Auch dazu hören wir vielleicht gleich einen Text.

 

Sich über Barbara Lorenz in 7 Minuten ein Bild zu machen, ist unmöglich. Also in Kürze (liegt die Würze), Balo ist die Goldmarie von Schwabach. Schwabach ist die Goldstadt, in der  Gold zu hauchdünnen Plättchen geschlagen wird, damit diese z.B. im Kirchenstuck (Barock) o.ä. verarbeitet werden können. Balo verkauft Blattgold- und Blattsilber, Rosenblütenblätter und mehr für Goumets und Gastronomie, zusammen mit dem Kochkünstler und Küchenmeister Dieter Trutschel. Die „Goldmarie“ ist übrigens im Märchen diejenige, die aus allem Gold macht. Balo und Goldmarie haben gemeinsame Wurzeln. Die Goldmarie verkauft Gold und Balo verschenkt Worte – aus Gold!

 

Barbara Lorenz unterstützt auch „C.A.T.S“ – die Kinderallianz Deutschlands, die sich für die armen Kinder Ägyptens einsetzt, damit diesen auf dem Land, fernab von Kairo, ihre einmaligen Wurzeln in einem Kulturbus präsentiert werden können u.a. mehr.

 

Ich möchte ihre Aktion „Lieblings-Gedicht und –Gedanken (eine literarische Form im Internet) nicht unerwähnt lassen. Hier treffen sich alle, die Lust am Schreiben haben und an der Diskussion darüber.

 

Selten findet ein Mensch, eine Menschin, das ist für mich ein Mensch + Geistin, so tiefe Worte für Schönheit und Liebe, für Natur und Humanität.

Dazu muss ich noch auf ihre Jugend hinweisen. Sie sprudelt geradezu aus Herzensströmen. Was für ein Wort! Auch wenn Sie es, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, an Courths-Mahler erinnert, benutze ich es für unsere Preisträgerin  gerne, denn sie nährt, was ziemlich verdorrt, sie begrünt was welk und sie krönt was zerknickt auf Zukunftsglaube wartet. Barbaras alte Seele gleicht der der Prophetinnen. Sie leidet mit den „gekreuzigten“ Frauen unserer Zeit, sie „zeigt Gesicht“, wo andere schweigen. Sie sammelt Unterschriften gegen die Ungerechtigkeiten in der (Frauen-)Welt. Sie ist – laut Elke Heidenreich – eine „gefährliche Frau“, denn so heißt es bei Frau Heidenreich, „Frauen, die lesen, sind gefährlich“. Wie gefährlich sind dann wir, die auch noch schreiben.

 

Also wünsche ich der Prophetin und der gefährlichen Barbara Lorenz, dass sie auf ihrem zukünftigen Weg, auch durch den Förderpreis, dem Fluss des Wortes ein Ufer ist, eine Brücke baut. Wir, die  Fürbitter dieses Förderpreises, möchten als sogenannte Schutzpatrone und –patroninnen in ihr Schiff einsteigen. Wir schauen, wohin sie segelt. Vielleicht ins gelobte Land, ins Land der faszinierenden, fesselnden, bewegenden Worte.

 

„Ruferin (ein Credo)

Ich bin die Ruferin

Rufe, wo Schweigen sich breitet

Rufe laut

Wo die Furcht Leise-Sein macht. ---

Du musst davon künden: Vom Widerstand wider das, was das Gute hindert.

Barbara Lorenz in „Ich – über mich“.

 

Liebe Balo – liebe Zuhörer und Zuhörerinnen – wir können uns gratulieren, diese Autorin mit dem Förderpreis 2005 zu ehren.

Ich bin dankbar, dass ich die Laudatio halten durfte. Ich – Wir sind an Deiner Seite, den Widerstand zu brechen, der das Gute verhindert.

Köln, im August 2005, Waltraud Weiß